Hierbleiben und Aufbrechen / Zukunftswerkstatt des Lebensgutes Knau

04 Dezember 2006

Otz Artikel zur Zukunftswerkstatt


Per Draisine zum Religionsgarten

Rund 50 Workshop-Teilnehmer finden Ideen für die Zukunft der Oberlanddörfer
Von OTZ-Redakteur Peter Cissek Knau. Beim Workshop am Samstag im Kulturzentrum Knau suchten rund 50 Teilnehmer in mehreren Arbeitsgruppen nach Antworten auf die Fragen, in welche Richtung sich die Region entwickeln und welche Rolle dabei das Rittergut spielen soll.


Zu den Ideen, die man kurzfristig umsetzen will, gehört unter anderem ein Radwanderweg auf der stillgelegten Bahnstrecke. Sollte es nicht möglich sein, die Gleise zu entfernen, wäre auch eine Draisine denkbar, also ein durch Menschenkraft betriebenes Schienenfahrzeug, sagte Uta Röhl vom Erfurter Ingenieurbüro Planung und Umwelt.

Der Förderkreis Rittergut und die Gemeinde Knau hatten nicht nur Vertreter von Politik, Kirche und Wirtschaft, sondern auch Einwohner eingeladen, um in Arbeitsgruppen Vorschläge zu machen, zu diskutieren und Synergien zu finden. Verknüpfungsmöglichkeiten gibt es u. a. zwischen Schwerpunkten aus den Arbeitgruppen Wirtschaft und Tourismus. So ist zum Beispiel die Schaffung eines Rundwanderweges durch den Mühlengrund vorgesehen, wo die Agroprodukte Knau eine Freilandtierhaltung planen.

"Knau soll sein Rittergut als Impulsgeber einsetzen", riet Moderator Frank Neumann vom Erfurter Ingenieurbüro. So kam man in der Arbeitsgruppe Wirtschaft zu dem Entschluss, eine Dachmarke etablieren zu müssen, unter der nicht nur touristische Angebote, sondern auch Erzeugnisse der Region vermarktet werden sollen. "So könnte man die Silhouette des Rittergutes als Logo nehmen und damit unter anderem Produkten der Agrofarm Knau und des Fischerhofes Händelsmühle eine stärkere regionale Identität geben", erklärte Sparkassenmarktbereichsdirektor Dirk Heinrich. Auch die Knauer Grundschule soll endlich einen Namen erhalten, am besten einen, der in Verbindung mit dem Wahrzeichen vor der Haustür steht. Teile des Rittergutes könnten auch als Gründer- und Förderzentrum für die Fleisch- und Fischwirtschaft genutzt werden, lautete eine Vision. Eine weitere heißt, das Rittergut soll zum Lebensgut werden: Eine Möglichkeit wäre, dass Menschen im Laufe ihres Lebens Arbeitszeit ansparen und diese im Alter als Gutschrift für die eigene Pflege zurück erhalten. Auch wenn dieses Modell für manchen noch als schwer vorstellbar erschien, will man hier auf alle Fälle eine Möglichkeit schaffen, damit sich mehrere Generationen begegnen und unterhalten können. Dass auch die Jugend daran Interesse haben kann, bewies die Aussage einer jungen Frau, die beim Workshop sagte: "So schön wie heute habe ich schon lange nicht mehr diskutiert."

Zwar schwebte manchen Teilnehmern auch vor, dass u.a. die Agrofarm eine Schauproduktion und die Direktvermarktung ihrer Fleisch- und Wurstwaren ins Rittergut verlagert. Doch das wurde seitens des landwirtschaftlichen Betriebes aufgrund gesetzlicher Bestimmungen und bereits getätigter Investitionen abgelehnt.

Auf alle Fälle wollen die Mitglieder des Arbeitskreises Kinder und Jugend einen Kinderbauernhof auf dem Rittergut-Gelände etablieren, um Kindern die Landwirtschaft nahe zu bringen.

Ein weiteres Projekt ist der Religionsgarten, in dem Kindern und Jugendlichen Grundelemente des religiösen Denkens vermittelt werden sollen. "Das Gelände ist auf Teilen des Kirchenwaldes, des Pfarrhausgrundstückes und des Gutsparkes geplant", sagte Pastorin Martina Kraft der OTZ. Das Wegesystem soll verschiedene Religionen miteinander verbinden. Teilnehmer des internationalen Jugendaustausches sollen sich im Religionsgarten nicht nur mit Wasser, Steinen, Bäumen, Licht und Dunkelheit, sondern auch mit religiöser Architektur auseinandersetzen. Das Vorhaben soll 132 000 Euro kosten, die zu 75 Prozent gefördert werden, falls das sächsische Kultusministerium den Förderantrag im Dezember befürwortet. "Wir haben sehr gute Aussichten", erklärte Pastorin Kraft. "Sachsen ist zuständig, weil der Saale-Orla-Kreis zur Euro-Egrensis-Förderzone gehört. Wir haben auch einen Kooperationspartner in Tschechien gefunden", sagte der Neunhofener Pfarrer Dieter Wolf. Die Seminare würden in der Thomas-Begegnungsstätte des Pfarramtes und im Kulturzentrum des Rittergutes stattfinden, als Übernachtungsmöglichkeit stünde die Jugendherberge in Plothen zu Verfügung, so Wolf.

Ein zweites Projekt ist die Ansiedlung der evangelischen Akademie für die Erwachsenenbildung. "Das Büro wird im Pfarramt angesiedelt. In der vergangenen Kreissynode ist auch ein Haushaltsposten für die Akademiearbeit beschlossen worden. Wir haben für das kommende Jahr eine Reihe von Persönlichkeiten eingeladen", sagte Pfarrer Wolf als Beauftragter für die Akademiearbeit.

Der stellvertretende Vorsitzende des Förderkreises Rittergut Knau, Peter Künzel, zeigte sich sehr zufrieden mit dem Verlauf der mehrstündigen Zukunftswerkstatt. "Genau so haben wir uns den Tag in unseren kühnsten Träumen ausgemalt." Im Religionsgarten in Knau sollen Kindern und Jugendlichen die Grundelemente des religiösen Denkens vermittelt werden.

Pfarrer Dieter Wolf

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01 Dezember 2006

OTZ im Interview mit dem Moderator der Zukunftswerkstatt, Frank Neumann

Das Rittergut Knau soll zum Lebensgut werden — Diskussion um Zukunft der Oberlanddörfer

Knau (OTZ). Morgen findet ab 13.30 Uhr ein Workshop im Rittergut Knau zur Zukunft des Bauwerkes und der Oberlanddörfer statt. OTZ sprach mit dem Moderator der Veranstaltung, Frank Neumann, von einem Erfurter Ingenieurbüro.

OTZ: Der Förderkreis lädt am Samstag die Bevölkerung zur Diskussion um die Zukunft des Rittergutes Knau ein. Kommt der Förderkreis allein nicht mehr voran?

Frank Neumann: Der Förderkreis Rittergut und die Gemeinde Knau beabsichtigen, das Rittergut zum Zentrum des wirtschaftlichen und geistigen Lebens der Region zu entwickeln. Wenn man einen großräumigen Entwicklungsprozess ins Leben rufen möchte, kann man das nicht mit nur fünf bis acht Aktiven des Förderkreises und des Gemeinderates bewerkstelligen. Dazu brauchen wir Ideen aus der gesamten Region, auch von Vertretern der Unternehmen, aus dem Bildungsbereich, ferner von Personen, die sich mit Ethik und Werten auseinandersetzen. Dazu sind viele Leute nötig.

Welche Ziele verfolgen Sie?

Die Region ist ein peripherer Raum, der am Rande liegt, also nicht an den direkten Wirtschaftsachsen. In diesen Gebieten wird die Bevölkerung immer älter, weil junge Leute fortziehen. In Knau will man dieser Entwicklung nicht zusehen, sondern diese in die eigenen Hände nehmen. Ziel ist es, dass die Region attraktiv wird, damit junge Familien in ihrer Heimat bleiben können, dass Arbeitsplätze vielleicht auch über das Rittergut geschaffen werden.

Apropos Arbeitsplätze im Rittergut: Hat es die Gemeinde versäumt, einen Betreiber für das Rittergut zu finden, der das Haus saniert und den Leerstand beendet?

So ein Rittergut in eine vernünftige Nutzung zu überführen, ist nach meiner Sicht nicht die Aufgabe einer Gemeinde.

Aber die Gemeinde ist doch die Inhaberin des Gutes...

Die Gemeinde ist die Inhaberin. Ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist. Wäre die Gemeinde nicht gewesen, wäre das Rittergut völlig verfallen. So ist wenigstens jemand da, der die Verantwortung in der Übergangszeit übernommen hat. Wenn man eine sinnvolle Nutzung finden will, müssen andere Betreiberkonzepte her. Man kann der Gemeinde keine Versäumnisse anlasten.

Aus dem Rittergut soll nun das Lebensgut werden. Welche Eckpunkte wollen Sie und der Förderkreis auf dem Workshop setzen?

Das Lebensgut Knau ist ein mögliches Projekt, das in der gesamten Nutzung eine Rolle spielen kann. Im Lebensgut sollen Alt und Jung in einer neuen Art miteinander leben. Eine Möglichkeit wäre, dass Menschen im Laufe ihres Lebens Arbeitszeit ansparen und diese im Alter als Gutschrift für ihre eigene Pflege zurück erhalten. Das ist ein Modell, wie Alt und Jung auf Dauer miteinander leben können.

Sie liebäugeln also mit einer generationsübergreifenden Wohn- anstatt einer Begegnungsstätte im Rittergut?

Ich würde sagen, wir sind für das Eine und das Andere. Es gibt zum Beispiel Überlegungen, evangelische Akademiearbeit auf dem Gelände des Rittergutes zu etablieren, aber auch Bildungsvorhaben und Kindergartenangebote. Vorstellbar wäre ferner, dass die Agrargenossenschaft ihre Direktvermarktung hier ansiedelt. Vielleicht kann man im Rittergut auch Pensionen unterbringen, um den Fremdenverkehr anzukurbeln. Es ist Ziel des Workshops, all diese Ideen einzubringen und zu diskutieren.

Interview: Peter Cissek

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